02.07.2021

Die Stadt als Lager

Abriss ist der Energetische Supergau

Die Endlichkeit der Ressourcen wird immer deutlicher im Alltag erfahrbar. Dennoch ziehen wir Planer aus dieser Tatsache noch kaum Konsequenzen. Doch es gibt Ausnahmen: Die Materialnomaden aus Wien haben sich auf Die Beurteilung und Weiternutzung vorhandener Bausubstanz spezialisiert. Sie agieren mittlerweile in einem internationalen Netzwerk und unterstützen in den unterschiedlichsten Leistungsphasen: Von der nachhaltigen Konzeption bei Um- und Ausbauten über das Entkernen und Einlagern wertvoller Bauteile bis hin zum aktiven Weiternutzen in partizipativen Eigenbau-Projekten. Mehr und mehr erlangen Sie dabei auch die Aufmerksamkeit von Investoren innerhalb deren Nachhaltigkeitsbestrebungen. Eine Herausforderung im Re-Use besteht in der baurechtlichen Zulassung: Wie können gebrauchte Produkte in den genormten Umsetzungsprozess eingespeist werden?

Begutachtung und Katalogisierung

In einem ersten Schritt geht es darum, wertvolle Lagerstätten sichtbar zu machen und ihnen eine Logistik einzuschreiben, die eine architektonische und bautechnische Weiter- und Wiederverwendbarkeit ermöglicht. Durch Katalogisierung, exemplarischen Rückbau, zur Verfügung stellen in einem Bauteilkatalog und Vermittlungstätigkeit über den re:store wird den Bauteilen ein zweiter Lebenszyklus ermöglicht. Ein Lebenszyklus mit bedeutend geringerem Primärenergieaufwand für die Herstellung und besonderer Qualität durch die Geschichten, die manche der Bauteile mit sich bringen.

Materialnomaden - ein wertschöpfender Blick auf die Bausubstanz

Wie ein Consultingunternehmen für zukunftsfähige Baukultur arbeiten die Materialnomanden aus Wien an der Implementierung der wiedergewonnenen Bauteile in neue Projekte. Mit den exemplarisch rückgebauten Bauteilen werden in betriebseigenen Werkstätten Prototypen zur Wieder- und Weiterverwendung entwickelt. Sie dienen dem Entwurfsprozess der Architektur-, Kunst- und Bauprojekte, in denen re:use – Bauteile zum Einsatz kommen. So werden bei uns Eichenhandläufe und Aluminiumkabeltrassen aus einem ehemaligen Bürogebäude sowie Stahlrahmen aus dem Wienmuseum zur Ausstellungsarchitektur im Weltmuseum Wien. Im Projekt Großküche magdas konnten wir in Zusammenarbeit mit ATP-Architekten und bauteiler Parkett, Bürotrenntüren inclusive Stahlzargen, Holz einer ehemaligen Heustadlverkleidung, B-Ware Stahlplatten, mobile Trennwandmodule, Beleuchtungskörper und Natursteinplatten in einen weitern Lebenszyklus überführen. Derzeit entwickeln die materialnomaden unter anderem re:use – Produkte aus der Innenausstattung von Triebwägen der ÖBB.

Baukulturelle Herausforderung

Mutige AuftraggeberInnen, Flächen und Projekte für nachhaltige Kreislaufwirtschaft sind noch immer rar, doch wir brauchen diese Experimentierfelder der Zukunft direkt in unseren Städten nicht hunderte Kilometer weit weg. Das Konzept der Nähe muss viel konsequenter praktiziert werden, um aufwendige Transportweg auszuschliessen: „es dürfen auch Flächen in der Nähe sein die hässlich sind“, nur so lassen sich unsere Städte nachhaltig als Lager kultivieren und betreiben (Urban Mining). Dies erfordert jedoch einen neuen Blick der PlanerInnen auf den Bestand und dessen Potential hinsichtlich Weiternutzung.

Zahlen & Fakten

Ort: Wien

Land: Österreich

Zeitraum: 2020

VerfasserIn: peter kneidinger, materialnomaden

Weiterführende Informationen: materialnomaden wien


#re-use #upcycling

WHY?

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